Eure Gesundheit

Die Schilddrüse ist ein kleines Organ mit großer Wirkung.

Schilddrüsenerkrankung – familiäres Risiko?

eine ältere Frau mit weißen Haaren und eine jüngere mit braunen Haaren, sowie ein braunhaariges Mädchen sitzen nebeneinander und stellen die familiäre Vererbung dar

Die Schilddrüsenhormone steuern multiple lebenswichtige Funktionen im Körper wie zB. Wachstum, Herzfunktion, Hirnfunktion, Darmfunktion, Fertilität und Stoffwechselprozesse.


Eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse kann sich als eindeutige Erkrankung bei vielfältigen passenden Symptomen abzeichnen. Aber auch schleichende, teilweise über Monate und Jahre milde und zunehmende Beschwerden könnten auf eine Schilddrüsen-Dysfunktion zurückzuführen sein. Die Symptome sind oft allgemein und unspezifisch (z.B. Schwäche, Müdigkeit) und werden daher auch nicht unbedingt einer hormonellen Erkrankung zugeordnet. Um an eine potenzielle Schilddrüsenerkrankung früh genug zu denken, hilft es zu wissen, ob einer oder mehrere Familienangehörige bereits Schilddrüsenerkrankungen haben.

Schilddrüse und Genetik

Die wirklich genetisch vererbbaren Schilddrüsenerkrankungen sind selten: Funktionsstörungen zeigen sich oft schon im Kindesalter z.B. bei der angeborenen Schilddrüsenunterfunktion oder auch etwas später, z.B. bei einer Schilddrüsenhormonresistenz. Bei der Letzten sind die Laborbefunde (Schilddrüsenfunktions-parameter) oft schwer zu interpretieren: die Diagnose wird vermutet, wenn auch ein anderer Familien-angehöriger (Eltern, Geschwister) ähnliche Laborbefunde vorweist. Ist dies der Fall, wird eine genetische Untersuchung veranlasst.

Die Schilddrüsentumore (z.B. das medulläre Schilddrüsenkarzinom) können im Rahmen einer genetisch-bedingten multiplen endokrinen Neoplasie (Überbegriff für verschiedene, seltene Erbkrankheiten) auch mit Tumoren anderer Organe einhergehen. Die betroffenen Patienten werden genetisch getestet und nach Einlangen des Befundes zu einem ausführlichen Aufklärungsgespräch eingeladen. Hier wird nicht nur die Schilddrüsenerkrankung, sondern auch das Screening und die Behandlung anderer Organe diskutiert. Unter anderem wird beim genetischen Aufklärungsgespräch auch eine Liste der Angehörigen, welche die genetische Mutation potenziell vererben können, erstellt und diese werden dann ebenfalls zur genetischen Testung eingeladen.

Hashimoto – familiäre Häufung

Eine der häufigsten Formen der Schilddrüsenerkrankungen ist die Schilddrüsenunterfunktion durch die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunthyreoiditis). Diese gehört nicht zu den vererbbaren Schilddrüsenerkrankungen, kommt aber häufig bei mehreren Familienangehörigen vor. Es handelt sich um eine multifaktoriell bedingte Autoimmunerkrankung, wofür es eindeutig eine genetische Veranlagung gibt. Die Erkrankung betrifft am häufigsten Frauen, variiert von mild zu schwer und auch milde Fälle können fortschreiten. Speziell rund um die Themen Kinderwunsch und Schwangerschaft werden auch milde Formen der Erkrankung therapiert, da gerade zu Beginn der Schwangerschaft die natürliche Produktion der mütterlichen Schilddrüsenhormone deutlich steigen sollte, um unter anderem auch die Entwicklung vom Fötus zu gewährleisten. Daher sollte bei Angehörigen von Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis, welche Beschwerden oder einen Kinderwunsch haben, unbedingt auch die Schilddrüsenfunktion getestet werden. Seltener gibt es auch Autoimmunthyreoiditis Formen, welche eine Überfunktion der Schilddrüse verursachen.

Bei Patienten mit Autoimmunthyreoiditis können auch andere Autoimmunerkrankungen vorkommen. Hierzu zählen die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie, einheimische Sprue), der Vitamin B12-Mangel (welche zur Anämie führt) die Weißfleckenerkrankung der Haut (Vitiligo) oder seltener andere hormonelle Erkrankungen wie die Nebennierenunterfunktion oder Typ 1 Diabetes. Beim Vorliegen mehrere dieser Autoimmunerkrankungen wird ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom diagnostiziert. Diese Mehrdrüsen-Syndrome sind oft multifaktoriell, können aber in seltenen Fällen auch durch bestimmte Genmutationen verursacht werden.

Bedeutung der Familien-Anamnese

Zusammenfassend: bei den Schilddrüsenerkrankungen spielt die Anamnese der Familienangehörigen eine wichtige Rolle. Eine familiäre Prädisposition zu Schilddrüsenerkrankungen kommt häufig vor und durch genetische Mutationen verursachte Krankheiten sind selten. Eine Schilddrüsenuntersuchung wäre bei symptomatischen Angehörigen von Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen zu empfehlen. Bei weiblichen Angehörigen mit unerfülltem Kinderwunsch oder in der Frühschwangerschaft ist die Kontrolle der Schilddrüsenfunktionsparameter ein Muss.

Autorin:

Prof. Priv.-Doz. Dr. Greisa Vila
Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen

AT-NONE-00178; 04/2023